Christus am Ölberge
Christus
Recitativ und Arie
Jehovah, du mein Vater’ o sende Trost und Kraft und Stärke mir! Sie nahet nun, doe Stunde meiner Leiden, von mir erkoren schon, noch eh’ die welt auf dein Geheiss dem Chaos sich entwand. Ich höre deines Seraphs Donnerstimme. Sie fordert auf, wer statt der Menschen sich vor dein Gericht jetzt stellen will. O Vater! Ich erschein’ auf deiner Ruf. Vermittler will ich sein, ich büsse, ich allein, der Menschen Schuld. Wie könnte dies Geschlecht, aus Staub gebildet , ein Gericht ertragen, das mich deinen Sohn, zu Boden drückt? Ach sich’, wie Bangigkeit, wie Todesangst mein Herz mit Macht ergrieft! Ich leide sehr, mein Vater! o sieh’, erbarm’ dich mein!
Meine Seele ist erschüttert von den Quallen die mir dräu’n; Schrecken fasst mich, und es zittert grässlich schaudernd mein Gebein. Wie ein Fieberfrost ergreifet mich die Angst beim nahen Grab, und von meinem Antlitz träufet, statt des Schweisses, Blut herab, Vater! Tief gebeugt und kläglich fleht dein Sohn hinauf zu dir! Deiner Macht ist Alles möglich; nimm den Leidenskelch von mir!
Seraph, Chor
Recitativ und Arie
Erzitt’re, Erde! Jehovah Sohn liegt hier, sein Antlitz lief in Staub gedrückt, vom Vater ganz verlassen, und leidet unnennbare Qual. Der Gütige! Er ist bereit, den martervollsten Tod zu sterben, damit die Menschen, die er liebt, vom Tode aufer stehen und ewig, ewig leben.
Preist des Erlösers Güte, preist, Menschen, seine Huld! Er stirbt für euch aus Liebe, sein Blut tilgt eure Schuld, O Heil euch ihr Erlösten! Euch winket Seligkeit, wenn ihr getreu in Liebe, in Glaub’ und Hoffnung seid, Doch weh! Die frech entehren das Blut, das für sie floss, sie trifft der Fluch des Richters, Verdammung ist ihr Loos.
Christus
Recitativ
Verkündet, Seraph, mir dein Mund Erbarmen meines ew’gen Vaters?
Nimmt er des Todes Schrecknisse von mir?
Seraph
So spricht Jehovah: Eh’ nicht erfüllet ist das heilige Geheimniss der Versöhnung, so lange bleibt das menschliche Geschlecht verworfen und beraubt des ew’gen Lebens.
Christus, Seraph
Duetto
So ruhe denn mit ganzer Schwere, auf mir, mein Vater, dein Gericht. Giess’ uber mich den Strom der Leiden, nur zürne Adams Kindern night.
Erschuttert sch’ich den Erhab’nen, in Todesleiden eingehüllt. Ich bebe, und mich selbst umwehen die Grabesschauer, die er fühlt. Gross sind die Qual, die Angst, die Schrecken, die Gottes Hand auf ihn ergiesst: dosh grösser ist noch seine Liebe, mit der sein Herz die Welt umschliesst!
Christus
Recitativ
Willkommen, Tod, den ich am Kreuze zum Heil der Menschheit blutend sterbe! O seid in eurer kühlen Gruft gesegnet, die ein ew’erg Schlaf in seinen Armen hält; ihr werdet froh zur Seligkeit erwachen.
Kreiger
Wir haben ihn gesehen nach diesem Berge gehen, entfliehen kann er nicht, ja, seiner wartet das Gericht.
Christus
Recitativ
Die mich zu fangen ausgezogen sind, die nahen nun. Mein Vater! O fuhr in schnellem Flug der Leiden. Stunden an mir vorüber, dass sie flieh’n, rasch, wie die Wolken, die ein sturmwind treibt, an deinem Himmein zieh’n. Doch nicht mein Wille; dein Wille nur geschehe.
Kreiger
Hier ist er, der Verbannte, der sich im Volke kühn, der Juden Konig mannte; ergrieft und bindet ihn!
Jünger
Was soll der Lärm bedeuten? Es ist um uns geschehen! Umringt von rauhen Kriegern, wie wird es unsergehn?
Petrus
Recitative
Nicht ungestraft soll der Verweg’nen Schaar dich Herrlichen, dich meinen Freund und Meister, mit frecher Hand ergriefen.
Christus
O lass dein Schwert in seiner Scheide ruh’n! Wenn es der Wille meines Vaters wäre, aus der Gewalt der Feinde mich zu reten, so würden Legionen Engel bereit zu meiner Rettung sein.
Petrus
Terzett
In meinen Adern wuhlen gchtereer Zorn und Wuth, lass meine Rache kühlen, in der Verweg’nen Blut.
Christus
Du solist nicht Rache üben! Rache uben! Ich lehrt’ euch blos allein die Menschen alle lieben, dem Feinde gern verzeih’n.
Seraph
Merk’ auf, o Mensch, und höre: Nur eines Gottes Mund macht solche heil’g Lehre der Nächstenliebe kund.
Christus, Seraph
O menschenkinder, fasset dies heilige Gebot; Liebt jenen, der euch hasset, nur so gefallt ihr Gott.
Kreiger
Auf! ergreifet den Verräther, weilet hier nun länger nicht! Fort jetzt mit dem Missethäter, schleppt ihn schleunig vor Gericht.
Jünger
Ach, wir werden seinetwegan auch gehasst, verfolget sein! Man wird uns in Bande legen martern und dem Tode weih’n.
Christus
Mein Qual ist bald verschwunden, der Erlösung Werk vollbracht, bald ist gänzlich überwunden und besiegt der Hölle Macht.
Chor
Welten singen Dank und Ehre dem
erhab’nem, Gottes Sohn,
Preiset ihn, ihr Englechöre,
laut im heil’gen, Jubelton!
Source
LP record, Ludwig van Beethoven: Christ on the Mount of Olives, Op. 85. World Record Club, T 406, 1962?